Okay dann klinke ich mich hier ein. Ich bin bzw. war in den 90ern "Technischer Mineraölkaufmann". Hierfür habe ich 6 Lehrgänge je 3 Tage beim Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen an der Fachhochschule in Dortmund absolviert. Mein Wissensstand ist zwar nicht mehr aktuell, aber wirklich Neues hat sich seit dem nicht ergeben.
Zum (Wandler-)Automatikgetriebeöl:
auch wenn alle Hersteller von full-life-Füllungen sprechen, heißt das nicht, das das Öl ohne Probleme ein Auto leben lang optimal funktioniert. In der Regel kann man davon ausgehen, dass es locker 100.000km "durchhält". Alles darüber hinaus ist fahrprofil- und altersabhängig. Wenn ein Fahrzeug die 150.000km erreicht, dann sollte man bei einem Wandlergetriebe sehr wohl an einen Austausch denken. Dann kommt natürlich auch sofort die Diskussion mit/ohne Spülung ins Spiel. Da beim Austausch die meisten Wandlergetriebe nicht restentleert werden können, bleibt ein Teil des alten Öls drin. Dann macht eine Spülung natürlich Sinn, um den Restölanteil immer weiter mit Frischöl auf Neuniveau zu bekommen. Ein einfacher Austausch ist meiner Meinung nach aber schon 80% besser als mit dem alten Öl weiterzufahren.
Mit Spülungen kann man den Austausch natürlich weiter verbessern und ggf. wird bei der Spülung auch ein besonders reinigungsintensives Produkt verwendet, aber leider sind die allermeisten Werkstätten hier nicht wirklich auskunftsbereit und arbeiten hier nach eigenen "Rezept".
Was ich auf den Lehrgängen mitgenommen habe: auf dem Ölmarkt gibt es ein schlimmes Halbwissen und echte Fachleute sind rar gesäht. Inwieweit man den "Fachleuten" mit Aussagen wie "... dass ein Ölwechsel ohne Spülung überflüssig ist." glaubt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich finde das ist Quatsch. Aber die Spülung ist ein erhöhter Aufwand - der natürlich auch berechnet wird - und so auch als Umsatzsteigerung eingesetzt wird.
Ein Beispiel aus der Praxis:
mein Schwiegervater fuhr einen Volvo S40 2.0 Turbo mit Wandlerautomatik. Bei ca. 170.000km machten sich Probleme beim Anfahren mit Knacken und Schlägen bemerkbar. Bei Volvo empfahl man den Austausch des Getriebes, weil der Schaden nicht reparierbar sei. Ich fragte ihn dann nach dem letzten Getriebeölwechsel. Er: bisher noch nie! Also riet ich als erstes zum preiswerteren Getriebeölaustausch. Volvo lehnte das aber mehrfach ab. Auf mein Drängen fuhr mein Schwiegervater dann zu einer freien Werkstatt, die das Getriebeöl tauschten. Eine zusätzliche Spülung wurde nicht diskutiert. Nach dem Wechsel funktionierte das Wandlergetriebe sofort wieder wesentlich besser und im Laufe der folgenden tausend Kilometer wurde es nochmal besser. Die Probleme waren nicht ganz weg, aber hinnehmbar und so fuhr mein Schwiegervater noch weitere 50.000km / 2 Jahre bis er den Volvo abgab.
Meine Einschätzung war:
durch die (aus meiner Sicht über-) lange Nutzung des Getrieböls, waren das Getriebe so verharzt, dass das Frischöl mit seinen Reinigungszusätzen diese Verharzung zu einem Großteil wieder auflösen konnte. Aber das überalterte Erstöl hatte wohl schon so viel Schaden angerichtet, dass die Probleme nicht ganz weg gingen. Evt. war auch noch ein mechnisch / elektronisches Problem im Spiel, das will ich nicht auschließen. Aber das Schaltverhalten nach dem Getriebeölwechsel hat meinen Schwiegervater veranlasst, das Auto weiter zu fahren und auch damit bedenkenlos in Urlaub zu fahren.
Frag mich nicht, ...
warum die Hersteller den Getriebölwechsel nicht vorsehen und nicht im Wartungsplan stehen haben. Das verhält sich damit genau wie mit der Klimaanlage. Die ist auch nicht im Wartungsplan berücksichtigt. Beides Punkte, wo man gutes Geld verdienen könnte. Dass die Markenwerkstätten das dem freien Markt überlassen, wundert mich schon!
Beim Schaltgetriebe verhält es sich ähnlich. Jedoch ist die technisch sinnvolle Verweilzeit erheblich länger, weil die thermische/mechanische Belastung geringer ist. Ich würde aber bei spätestens 200.000km oder bei den ersten Problemen zu einem Austausch des Getriebeöls raten.